Moskau Babylon by Owen Matthews

Moskau Babylon by Owen Matthews

Autor:Owen Matthews [Matthews, Owen]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
veröffentlicht: 2015-03-03T16:00:00+00:00


9

User und Loser

»Schneller, schneller, bis der Kick vom Speed die Angst vor dem Tod überholt!«

Hunter S. Thompson

»Lena ist verrückt, deshalb mag ich sie so«, gestand mir Hastings an der Kaffeemaschine im Büro. »Und jetzt stehen zwei billige Reisetaschen bei mir in der Wohnung und sagen mir, dass ich aus reiner Suffgeilheit einen Fehler gemacht habe. Damit ist sie praktisch bei mir eingezogen, verdammte Scheiße.«

Hastings hatte es schwer mit Frauen. Er litt an mangelndem Selbstbewusstsein, was unter Ausländern höchst selten vorkam, und verschlimmernd kam noch eine Art Märtyrerkomplex hinzu. Frauen in Not schienen seine unselige Großzügigkeit zehn Meilen gegen den Wind zu wittern, und sein Liebesleben bestand aus einer Abfolge gescheiterter Versuche, verschiedene hässliche Entlein vor den Folgen ihrer Dummheit und ihres Pechs zu bewahren. Ich hatte diese Lena sogar einmal kennengelernt, eine Brünette mit aufgedunsenem Gesicht, der Statur eines Bullterriers und dem Vokabular der Taxifahrer am Flughafen Scheremetjewo.

»Was ist daran so schlimm?«

»Sie ist eine Kriminelle, die sich ständig Ärger anlacht, das ist das Schlimme«, knurrte Hastings. »Hat sechs Monate im Knast gesessen, die Irre.«

»Mach Witze.«

»Schön wär’s. Sie hat mir ihre Entlassungspapiere gezeigt oder was man sonst kriegt, wenn man aus dem Gefängnis kommt. Sie hat Tätowierungen auf den Knöcheln.«

»Ach du Scheiße.«

»Sie besteht nur aus unbeherrschten primitiven Instinkten, Mann. Ständig kriegt sie Wutanfälle. Und wenn sie getrunken hat, denke ich immer, gleich zückt sie ihr Klappmesser und murkst mich damit ab. Sie fängt in der Metro Streit an. Wird am laufenden Band von der Polizei aufgegriffen. Scheiße, so viel Härte, wie bei ihr an einem Tag abgeht, haben die meisten Leute im ganzen Leben nicht.«

»Okay.«

Ich dachte nach. Der arme Hastings. Er sah wirklich fertig und übernächtigt aus, und seine gewohnte rüpelhafte Jovialität war ihm vergangen, sodass der neurotische Intellektuelle dahinter zum Vorschein kam.

»Darf ich dich mal was fragen? Sie ist kriminell. Sie ist geistesgestört. Sie ist obdachlos und vielleicht auf der Flucht. Was zum Teufel findest du an ihr?«

Hastings blickte trübsinnig in seine Kaffeetasse und warf dann einen besorgten Blick zur Tür, um sich zu vergewissern, dass niemand mithörte.

»Sie ist schwanger von mir, Mann. Im vierten Monat.«

»Ach du Scheiße. Dann schaff sie so schnell wie möglich zum Arzt.«

»Das will sie nicht. Sie sagt, der Fötus hat schon ein schlagendes Herz. Und Hände und Füße.«

»Und einen Schwanz, Menschenskind.«

Ich legte ihm in einer brüsken männlichen Kameradschaftsgeste den Arm um die Schultern, und verlegen standen wir ein paar Momente Seite an Seite.

Als ich an dem Abend nach Hause kam, wusste ich schon, als ich aus dem rasselnden Fahrstuhl trat, dass etwas nicht stimmte. Laute Musik dröhnte aus meiner Wohnung, und als ich aufschließen wollte, stellte ich fest, dass von innen abgeschlossen war. Ich hämmerte mehrere Minuten an die Tür, bevor die Musik jäh abbrach. Ich hörte jemanden innen herumschlurfen. Ein klirrender Teller, Mädchengekicher und Pst-Töne.

»Wer ist da?«

Sonja. Eindeutig bedröhnt.

»Lass mich rein. Ich bin’s.«

Sie mühte sich ungeschickt mit den altmodischen Schlössern ab und bekam schließlich die Tür auf. Ihre Haare waren zerzaust und auf dem Kopf aufgetürmt wie ein Heuhaufen, die Wimperntusche verschmiert. Sie hatte nur einen Slip an und ein T-Shirt von mir.



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